Chirurgische Eingriffe unter Einsatz spezieller Lasergeräte werden bereits seit längerer Zeit vorgenommen, da sie präzisere Schnitte erlauben, als das traditionelle Skalpell. Theoretisch ist zudem seit langem bekannt, dass Laser grundsätzlich sogar bis auf eine Zelle genau ausgerichtet werden können. Doch die entstehende Hitze und Druckwellen schädigen das umliegende Gewebe, wodurch der zellengenaue Lasereinsatz bislang graue Theorie blieb.
Der kanadische Wissenschaftler Dwayne Miller entdeckte in Toronto jedoch eine Möglichkeit, Materie direkt von festem oder flüssigen in den gasförmigen Aggregatzustand zu versetzen und somit die schädigende Thermobildung zu vermeiden. Dafür ist die Anregung der Moleküle in einem engen Zeitintervall von 100 Picosekunden (dem Zehntausendstel einer Millionstel Sekunde) nötig. Wird dieses Intervall eingehalten, so entsteht keine thermische Beeinträchtigung der umgebenden Materie. Miller entwickelte bereits einen Prototyp für ein entsprechendes Lasergerät. Der Picosekunden-Infrarot-Laser (PIRL) bietet gegenüber bereits vorhandenen Femtosekundenlasern mit noch kürzeren Intervallen den Vorteil, dass er keine ionisierende Strahlung abgibt, bei der eine ähnlich gesundheitsschädliche Wirkung wie die der Röntgenstrahlung vermutet wird.
Um den PIRL zur Anwendungsreife zu bringen, ist Dwayne Miller mittlerweile an den Fachbereich Physik der Hamburger Universität gewechselt. Neben renommierten Kollegen und hervorragenden Forschungsstrukturen bietet der Umzug den entscheidenden Vorteil einer finanziellen Förderung durch den Europäischen Forschungsrat (ERC) mit 2,5 Mio. €.
Im medizinischen Einsatz getestet wird der PIRL gleich nebenan im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Dem entscheidenden Zeitfenster auf die Schliche gekommen ist Dwayne Miller aufgrund von Filmaufnahmen in atomarer Auflösung, die Veränderungen anorganischer Materie unter Lasereinfluss sichtbar machen. Da PIRL neben dem entscheidenden Präzisionsvorteil auch noch mit maximal 30% des Energiebedarfs herkömmlicher Laser auskommt und kompakter konstruiert werden kann, ist das Interesse der medizinischen Fachwelt an dem Gerät sehr groß.
Nach seiner Fertigstellung soll der PIRL insbesondere für Operationen an Tumorpatienten zum Einsatz kommen, bei denen höchstmögliche Präzision von Nöten ist. Doch aufgrund der minimalen Gewebeschädigung und dementsprechend verringerter Narbenbildung ist auch ein breiter medizinischer Einsatz des Picosekunden-Infrarot-Lasers denkbar.
Der Öffentlichkeit wird der Laser erstmals auf der Medica vom 14. bis 17. November in Düsseldorf präsentiert. Die Medica ist die weltweit größte Fachmesse für Medizin und Medizintechnik.